Die Marktwirtschaft muss sozial bleiben: Eine StreitschriftJürgen Rüttgers
Gebundene Ausgabe
Wenn Spitzenpolitiker Bücher schreiben, verheißt das meist nichts Gutes: Biografisches, vermengt mit Anekdotischem, gewürzt mit einer Prise Wahlkampfrhetorik aus dem gesammelten Werk der Redenschreiber, so sieht die Rezeptur aus, aus der viele Politikerbücher gemacht sind. Das Ergebnis: Viel Gerede, wenig Konkretes und schon gar nichts, was aneckt; denn das könnte ja Wähler verprellen. Jürgen Rüttgers, Ministerpräsident in Nordrhein-Westfalen und einer der führenden Köpfe in der Union, macht da eine Ausnahme. Er hat ein bemerkenswert klares und pointiertes Buch abgeliefert. Die Marktwirtschaft muss sozial bleiben lautet der Titel seiner Streitschrift, einer vehementen Verteidigung der sozialen Marktwirtschaft gegen ihre neoliberalen Kritiker. Und, wenn man so will, die programmatische Begleitschrift zur strategischen Neuorientierung der Union. Die nimmt bekanntlich Abstand von neoliberalen Eskapaden und strebt in die Mitte - und dort liegt auch das Wählerpotenzial, das Rüttgers ansprechen muss, will er das Land auch nach der nächsten Landtagswahl in zwei Jahren führen. Insofern steckt schon eine Menge politischen Kalküls in seinem Buch, das sich aber nichtsdestotrotz durch eine argumentative Schärfe auszeichnet, wie man sie in der Welt der wachsweichen Mainstreampolitiker nicht mehr oft findet. Rüttgers will anecken, und das gelingt ihm auch. . Wohltuend ist auch, dass Rüttgers die Besserung der wirtschaftlichen Lage nicht nach Politikermanier als Ergebnis der politischen Reformen des eigenen Lagers feiert: "Der Erfolg ist aber auch und vor allem das Verdienst der Menschen in unserem Land", schreibt Rüttgers, "die Menschen haben sich den Herausforderungen gestellt." Das aber ist nur Vorgeplänkel, das Buch kommt bald zu seinem Thema: Der Verteidigung des sozialen Elements der deutschen Marktwirtschaft gegen Shareholderdenken und Neoliberalismus. "Ich bin mir sicher: Wenn wir Deutschland fit für die Zukunft machen wollen, müssen wir uns von neoliberalen Lebenslügen verabschieden." Wir brauchen ein ausgewogenes Verhältnis von Markt und Staat, fordert Rüttgers. "Die Marktwirtschaft ist das Modell für die Zukunft", ist er sich sicher. Aber sie werde nur funktionieren, "wenn sie sozial und fair ist". Dieses Gleichgewicht gelte es herzustellen, fordert der Autor - die ordnungspolitischen Grundsätze der Marktwirtschaft seien "um ordnungspolitische Grundsätze eines solidarischen Sozialstaats" zu ergänzen. Wie das konkret aussehen kann, bleibt indessen vage, geht über Allgemeinplätze wie "Erarbeiten vor Verteilen", "Leistung muss sich lohnen" oder "Wer bestellt, bezahlt" kaum hinaus. Insofern ist die Streitschrift vor allem ein politisches Programm für die nächsten Jahre. Und Rüttgers ein gewiefter Politiker. -- changex
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