Durst: RomanAssia Djebar
Gebundene Ausgabe
Die Ich-Erzählerin in Assia Djebars 1957 erschienenem, brillantem ersten Roman treibt in ihren Sommerferien an der algerischen Küste dahin. Sie ist 20, ohne klaren Blick, was sie für die Zukunft machen will, und sie hängt mit ihren blonden Haaren und ihrer französischen Mutter zwischen den Kulturen. Wenn ihr nach Abwechslung ist, setzt sie sich einfach in ihr Auto und fährt ziellos durch die Gegend. So weit, so gut -- man könnte Durst, ginge es allein nach dem Lebensgefühl, leicht in die existenzialistische Mischung aus innerer Leere, Luxus und Überdruss einordnen, wie sie für die 50er-Jahre charakteristisch ist. Aber zuallererst einmal ist Assia Djebar unverkennbar eine arabische Schriftstellerin, in ihren Anfängen noch sichtbarer als jemals, obwohl sie in französischer Sprache schreibt. Ihre Denkweise hebt sie klar von Zeitgenossen wie Françoise Sagan (mit der sie, da auch Frau, verglichen wurde) oder Albert Camus (der ebenfalls über Algerien schrieb) ab, etwa darin, wie die Ich-Erzählerin die Schönheit eines Mannes preist. Schönheit meint hier, höchstens der griechischen Antike vergleichbar, den Einklang von physischer Attraktion und Charakter, Intelligenz und Sanftheit. Nein, hier schreibt keine Europäerin, deren Kontinent innerhalb weniger Jahrzehnte von zwei Weltkriegen verwüstet wurde und die danach zwar in materiellem Wohlstand lebt, aber innerlich jeden Halt verloren hat. Es geht wirklich um eine junge Frau auf der Schwelle zum Erwachsensein, die versucht, nicht mehr nur Beobachterin zu sein, sondern endlich einmal selbst die Fäden zu ziehen, und sich dabei kühl beobachtet: Mal glaubt sie den zornigen jungen Anwalt Hassein zu lieben, dann flirtet sie wieder aus übermütigem Kalkül mit Ali, dem schönen Mann ihrer Jugendfreundin Jedla. Jedla wiederum manipuliert sie ihrerseits, was erst nach und nach deutlich wird, als Werkzeug ihres Suizids. Am Ende fährt die Erzählerin in ruhigeren Bahnen -- aber ein diffuses Schuldgefühl über Jedlas Tod bleibt. Der Durst. --Stephanie Sellier
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