Der Kirschgarten, 1 CassetteHörkassette
Tschechows letztes Stück "Der Kirschgarten" ist in diesem Hörspiel ganz und gar durch Rudolf Noelte geprägt. Der Regisseur führte hier nicht nur Regie, er hat auch die Hörspielbearbeitung vorgenommen und schließlich als Erzähler eine prominente Sprecherrolle gehabt. Neben Rudolf Noelte glänzen in diesem BR-Hörspiel aus dem Jahre 1970 Marianne Hoppe, Cordula Trantow, Ernst Jacobi und Günter Mack. . Im Zentrum des Geschehens steht der 22. August, der Tag, an dem der Kirschgarten versteigert werden soll. Wie ein Damoklesschwert hängen die Frist bis dahin und die Schulden über dem Figuren. Immerhin hängt ihr weiteres Leben vom Kirschgarten und dem Gut ab. Andrejewna Ranjewskaja, die Gutsbesitzerin, ist erst vor kurzem aus Paris zurückgekehrt. Sie hat ihren Sohn verloren, ihr Geliebter in Paris hat sie ausgenommen, und mit ihrem Bruder hat sie alles Geld verprasst. Ihre Tochter Anja, genauso wie ihre Pflegetochter Warja und Charlotta, die Erzieherin, sind alle vom Gut abhängig. Der alte Diener Firs sowieso. . Für die Dame des Hauses ist der Kirschgarten Symbol für eine unschuldige, reine Jugend. Er ist der Inbegriff des Paradieses und des Glaubens daran, dass alles gut wird. Doch sie lebt in einer wirklichkeitsfremden Welt, schwelgt in Kindheitserinnerungen und gibt Feste; für die Rettung des Gartens und des Guts tut sie nichts. Für Lopachin, den neureichen Kaufmann ist der Garten ein reines Spekulationsobjekt. Am Ende wird er ihn ersteigern, die Bäume fällen und Ferienparzellen errichten lassen. . Anton Tschechow (1810 - 1904) zählt mit seinen stücken "Die Möwe", "Onkel Wanja", "Drei Schwestern" und "Der Kirschgarten" zu den meist gespielten Dramatikern. Tschechow veröffentlichte bereits während seines Medizinstudiums Kurzgeschichten unter Pseudonym. Kurz nach der Uraufführung des "Kirschgartens" starb er 44-jährig in Badenweiler im Schwarzwald. . Der von Noelte rigoros bearbeitete Text lebt von der verstreichenden Zeit, davon, dass nichts passiert. Am Ende bleiben Enttäuschung und Desillusionierung übrig. Das Hörspiel endet da auf, wo es angefangen hat: im Kinderzimmer der Ranjewskaja. Das Ticken der Wanduhr und die Axtschläge am Schluss sind bedrückende Zeichen für die Ausweglosigkeit. Firs, der alte Diener, den man versehentlich zurückgelassen hat, bringt es auf den Punkt: "Das Leben ist vorüber gegangen, als ob man es gar nicht gelebt hätte. . Rudolf Noelte war eine erklärter Gegner alles Theatralischen. Er setzte auf den gesprochenen Text. Kein Wunder, dass ihm das Hörspiel sehr nahe lag. Die völlig eigenständige Hörspielfassung des "Kirschgarten", die 1970 erstmals im Bayerischen Rundfunk gesendet wurde, besticht durch eine geniale Marianne Hoppe. Sie ist die Stimme der Illusion und der Sentimentalität, die kein Halten kennt. Bis zum bitteren Ende bleibt sie ihrer Rolle treu. Fazit: Ein Genuss der aller ersten Klasse. Eine Inszenierung, die auf alles "Geräuschvolle" verzichtet, dafür aber alles aus den Stimmen herausholt. . Hörspiel, Spieldauer: ca. 95 Minuten, 2 CD. Mit ausführlichem Booklet. -- culture.text
|