Dinotopia. Das Land jenseits der ZeitJames Gurney
Gebundene Ausgabe
Platon, Campanella mit seinem Sonnenstaat oder Thomas Morus mit Utopia, viele Philosophen und phantasievolle Träumer entwarfen immer wieder Vorstellungen vom idealen Staat, doch wohl kaum einer hat diesen Traum von der friedvollen, perfekten Weltharmonie in so schönen, eindrucksvollen Bildern aufs Papier gezaubert wie der Amerikaner James Gurney in seinem illustrierten Buch Dinotopia. Seine 400 x 400 km große Trauminsel ist ein Land jenseits der Zeit, irgendwo auf unserer Erde. Die einzige Kunde, die wir von dort besitzen, ist das Skizzentagebuch des Schiffbrüchigen Arthur Denison aus dem Jahre 1860. Sein Bericht entführt uns in eine Welt, in der eine kleine menschliche Bevölkerung in einer pantheistischen Gemeinschaft mit riesigen, meist pflanzenfressenden Dinosauriern lebt. Denison bereist mit seinem Sohn wie einst Swifts Gulliver in ehrfürchtigem Staunen das unglaubliche Inselreich: Die Wasserfallstadt mit ihrer in Worten kaum zu beschreibenden Architektur, die Baumstadt mit ihrer familiären Gemütlichkeit, oder die Schluchtenstadt mit ihren atemberaubenden, filigranen Natursteinbrücken und den fliegenden Sauriern (Pteranodons), die die Menschen transportieren. Die gesamte Wirtschaft dieser Gesellschaft ist auf das Zusammenleben mit den Echsen abgestimmt. Von der Brutstation angefangen, in der Menschen die Brutpflege der Echsen betreiben bis zur Verwertung des Dinosaurierdungs, alles wird von den beiden, die Insel dominierenden Lebensformen, den Menschen und den Sauriern, in enger Abstimmung in gemeinsamer Verantwortung gelebt. Vielleicht das überraschendste dabei ist, daß es in Gurneys Buch Saurierarten gibt, die in punkto Intelligenz, Schrift und Sprache den Menschen in nichts nachstehen. Mit unglaublicher Liebe zum Detail schildert uns der Autor seine von ihm erdachte Welt. Sowohl im begleitenden Text seines Tagebuches als auch in seinen farbenprächtig kolorierten Zeichnungen achtet Gurney auf biologische und wissenschaftliche Genauigkeit. Ein Spitzweg der Saurierwelt, der uns über Musikinstrumente (Drachenhörner), Kristalleuchtsignale auf Türmen als Nachrichtenübermittler oder Saurier als Babysitter, Turngeräte und Spielkameraden ins Bild setzt. Die von Gurney zum Bau der kolossalen Städte dargestellte Technik ist unkonventionell und manchmal etwas klobig und primitiv, bedenkt man jedoch andererseits, mit welcher gigantischen Körperkraft die Dinosaurier ausgestattet sein müssen, so erscheinen dem Betrachter einfamilienhausgroße Zugwagen mit Deichsel kaum mehr exotisch. In bester Hitchcock-Manier präsentiert sich der Autor übrigens auch selbst am Anfang des Buches, er stellt sich in einer altertümlichen Universitätsbibliothek dar wie er zufällig unter anderen dicken ledergebundenen Folianten besagtes Tagebuch der 1860 verschollenen Will und Arthur Denison entdeckt. Insgesamt ein durch und durch gelungenes Bilderbuch, das sich von der derzeit wilden Vermarktung der Dinosaurier eindrucksvoll abhebt, weil der Autor auf das Niveau und die Qualität der Unterhaltung seiner Leser und Betrachter sehr viel Wert gelegt hat. --Manuela Haselberger
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