Geschichte der Technik. Der Mensch und seine Erfindungen im Bereich des AbendlandesFriedrich Klemm
Book, Broschiert
Was fällt Ihnen zum Stichwort "Geschichte der Technik" ein? Dampfmaschine? Okay. Archimedische Schraube? Nicht schlecht. Wer aber jetzt schon ins Grübeln kommt, der ist vielleicht ein Kandidat für Friedrich Klemms Buch Geschichte der Technik, das im Rahmen zweier Projekte am Deutschen Museum entstand und damit von außerordentlich berufenem Ort unter unsere Leselampe gelangt. Technik ist mehr als Glühbirne, Automobil und Atomkraftwerk. Wer in Klemms Buch blättert, der fängt schnell an, Aha-Erlebnissen nachzuhängen. Wer weiß schon, dass die alten Griechen Technik verabscheuten, insbesondere, wenn sie mit Handarbeit verbunden war? Wer seinem Klempner eins auswischen möchte, kann ihn mit einem Zitat von Platon oder Aristoteles (der fand, dass sich Bildung und Handarbeit ausschließen) zu diesem Thema trefflich ärgern: Vor Zitaten von Zeitzeugen, vom alten Athen bis Anfang des 20. Jahrhunderts strotzt Klemms Buch nämlich -- sehr schön. Oder Mittelalter: ein neues Pferdegeschirr, mit dem man eine dreimal so hohe Last ziehen kann wie zuvor -- mediävale High-tech! Die Errichtung des vatikanischen Obelisken "unter Anwendung von 140 Pferden, 800 Arbeitern und 40 Göpeln" -- damals eine ähnliche Herausforderung wie heute das Bohren des Kanaltunnels. Kathedralen bauen -- das mittelalterliche Äquivalent zum Mondflug? Fast kommt es einem so vor. . Sicher: Über die Technikgeschichte ist schon viel Druckerschwärze ausgegossen worden. Das besondere an Klemms Buch ist aber, dass der Autor sich nicht nur mit den Konsequenzen naturwissenschaftlicher Erkenntnisse für die Arbeit der Ingenieure auseinandersetzt, sondern auch den Einfluss religiöser und weltanschaulicher Einstellungen auf die Erfinder und Tüftler untersucht. Technik, der Wille, die Natur zu verändern, steht für Klemm im Mittelpunkt des menschlichen Lebens, das eben auch das in ähnlichen Büchern oft vernachlässigte Geistige umfasst. Leider ist auch ein Wermutstropfen zu erwähnen, vielleicht ein gravierender: Klemms Geschichte der Technik ist ein über weite Strecken eher trockenes Werk in einer altbackenen, wissenschaftlichen Sprache, die sich so gar nicht heutigen Lesegewohnheiten anpassen will. Und tatsächlich: Der Autor hat das Buch bereits 1961 verfasst und zuletzt 1983 -- kurz vor seinem Tod -- überarbeitet. Aktuelle Erfindungen wie der PC kommen demnach nicht vor -- obwohl die Herausgeber den an sich schon excellenten Quellenteil aufpoliert haben, damit er die Literatur bis 1995 abdeckt. Vielleicht also nichts für Schmökerer; wer aber eine hochseriöse, wissenschaftlich fundierte Abhandlung über den Weg der Technik des Abendlandes von Athen bis kurz vors Silicon Valley sucht, der ist mit Klemms Buch gut bedient. --Stefan Albus
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