300 Kaninchen, zwei Frauen und ein ErdbebenSheila Ortiz Taylor
Taschenbuch
Beim Lesen der wenigen Informationen zur Autorin von 300 Kaninchen, zwei Frauen und ein Erdbeben sticht eines sofort ins Auge: Genau wie ihre Protagonistin im Buch ist auch die Autorin Sheila Ortiz Taylor die Tochter eines Stepptänzers und einer Jojo-Lackiererin. Möglicherweise wurde also schon in der Kindheit Taylors die Basis für ungewöhnliche Lebensbetrachtungen gelegt, wie sie eben nur Stepptänzer und Jojo-Lackiererinnen vermitteln können. Denn ungewöhnlich ist auch dieser Roman -- wie der Titel bereits erahnen lässt. Das Handlungsgerüst: Arden Benbow ist Mitte dreißig, Dichterin, und hat nach diversen Ehejahren mit Alleswisser Malthus nicht nur die Schnauze voll von ihm, sondern zusätzlich sechs Kinder, eine Geliebte, einen schwulen schwarzen Babysitter (auf Strümpfen bestimmt 1,90 m), mindestens 300 Kaninchen, enorme Geldsorgen und einen Sorgerechtsprozess am Hals. Der Prozess rührt letztlich daher, dass ihr Exmann zu wissen meint, dass der Begriff "lesbische Mutter" ein Oxymoron sei, ähnlich wie "brennender Schnee", und dass Arden das Wohl ihrer Kinder durch derart unsolide Lebensumstände gefährde. In den einzelnen Kapiteln offenbaren sich nun -- in Form von Zeugenaussagen -- einige signifikante Phasen und Erlebnisse aus Ardens Leben. Wie bei einer Patchworkdecke fügt sich ein Lebensquadrat ins andere und es entsteht ein bunter Teppich in leuchtenden Farben. Die Leserin erfährt etwas über die vermeintliche Entführung ihrer Tante Vi nach Mexiko, über die Anfänge der Kaninchenplage und über Erdbeben. Dass Arden lesbisch ist, ist nur ein Teil dieses Flickenteppichs -- Taylor beschreibt die Anfänge der Liebesgeschichte zu Alice während eines Erdbebens (das die Entladung aufgestauter Spannungen auf verschiedenen Ebenen symbolisiert) auf einfühlsame und völlig selbstverständliche Weise, wie etwas, das gar nicht anders sein kann. Und diesen Stellenwert hat die Tatsache, lesbisch zu sein auch im Roman: Es reiht sich selbstverständlich in ein intensives, buntes Leben ein. Zum Schluss feiert Arden mit all ihren Freundinnen und Freunden eine "laute und zärtliche Feier". Und genauso ist dieses Buch. --Anja Buchmann
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