Im Lebensrausch, trotz alledem. Rosa LuxemburgAnnelies Laschitza
Gebundene Ausgabe
Lieben Sie Rosa Luxemburg? Dann sollten Sie diese Biographie von Annelies Laschitza besitzen. Auch als Geschenk für andere Luxemburgverehrer und -verehrerinnen eignet sie sich besonders gut. Annelies Laschitza liebt nämlich Rosa Luxemburg ebenfalls. Und sie hat gründlich gearbeitet. Der Leser glaubt ihr, daß sie ein Forscherleben lang alles gelesen hat, was sich über ihre Heldin auftun ließ. Und so zitiert sie lange aus Briefen der Marxistin, auch aus Briefen anderer an und Äußerungen über sie. 600 Seiten weit darf man der zierlichen Frau Luxemburg folgen durch Europa, hin und her, durch Deutschland, von oben nach unten. Stets schreibt sie irgendetwas. Am liebsten Artikelserien über hochschwierige marxistische Themen. Man fragt sich, wer das damals eigentlich alles gelesen haben soll. Ob nicht die heißgeliebten Proletarier nach der ersten Zeitungsspalte und einem Zwölfstundentag entweder eingeschlafen sind oder seufzend zu den Witzen weitergeblättert haben. Am Ende eines ideologiegesättigten Jahrhunderts und 80 Jahre nach der Ermordung Luxemburgs, wäre das nicht eine gute Zeit für eine umfassendere Sicht auf die Dinge? Ist es wirklich interessant, Rosa Luxemburgs Hutkäufen beizuwohnen, die kleinbürgerliche Italienreise mitzumachen oder sich von den endlosen Streitereien in der deutschen Sozialdemokratie des Kaiserreichs ermüden zu lassen?. Wie wäre es einmal mit einer Sozial- und Mentalitätsgeschichte all dessen? Diese ganzen Weltverbesserer da auf den Fotos des Bandes, steifer Kragen, Kreissäge auf dem Kopf: Was trieb die eigentlich an? Und: Waren es nicht letztlich sehr kleine, abgeschottete Kreise, in denen die Weltrevolution geplant wurde? Und: Hatten die Arbeiter, die sonntags in Gartenlokale pilgerten, um im Feiertagsgewand zwischen Bier und Musik Rednern wie Karl Liebknecht oder Rosa Luxemburg zu lauschen, wirklich auch nur annähernd das gleiche im Kopf wie die Heroen am Rednerpult? Keine neuen Fragen, gewiß, aber man würde der Autorin williger über die lange Distanz ihrer Lieblingsstrecke folgen, wenn sie wenigstens hin und wieder darauf eine Antwort versuchen würde. Also: Dicke Kaufempfehlung für alle, die im nächsten Januar in Berlin wieder mit dabei sind, wenn Zehntausende nach Friedrichsfelde ziehen, an die Gräber von "Karl und Rosa", sie bekommen für ihr Geld eine solide Arbeit aus kompetenter Feder. Für alle übrigen, die nicht ganz so zur Verehrung gestimmt sind, heißt es warten auf eine moderne Luxemburg-Biographie. --Michael Winteroll
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