Vertrieben. Sadberas Tagebuch. Ein Mädchen erlebt den Krieg im Kosovo.Sadbera Gashi
Book, Broschiert
Dies vorweg: ein Tagebuch der Anne Frank ist Sadberas Tagebuch bei weitem nicht. 70 schnell lesbare Seiten bleiben überschaubar, und vermögen schon vom Umfang her das Leben eines Teenagers im Krieg nicht bis ins Letzte zu durchleuchten. Das Mädchen aus dem Kosovo ist 16 Jahre alt, als sie -- wie Millionen anderer Mädchen in diesem Alter -- ihr Tagebuch beginnt, jene weißen Seiten, denen sie die erste Liebe, den ersten Kuß, Geheimnisse, aber eben auch tiefste Befindlichkeiten, Ängste, die Eltern oft verborgen bleiben, anvertraut. Andere Ängste als die von Millionen anderer Mädchen. Die Familie muß vor den Serben fliehen, wird getrennt, erst in einem Lager in Albanien trifft Sadbera ihre Eltern wieder -- soviel Glück hatte nicht jeder, in diesem Krieg nicht und in keinem anderen. Die italienische Sprache, in der Sadbera ihre Aufzeichnungen macht, ist wie ein zusätzlicher Schlüssel für ihr Tagebuch. Alpträume, Bombennächte, Zerstörung und der Tod von Freunden und Verwandten: Die Teenagerwelt ist alles andere als heil und behütet, trotz Schwärmereien für Leonardo di Caprio oder Diskobesuchen. Das alles berührt, sicher, aber es macht nicht so betroffen, wie es vielleicht sollte. Mag sein, daß der Krieg im Kosovo ohnehin noch so frisch in Erinnerung ist, die Bombardements, denen TV-Kanäle live beiwohnten, die Flüchtlinge, die an der Grenze in ihrem unfaßbaren Elend in die Kameras liefen und die unendlich vielen Familien mit ihren Kindern, ihrer Habe und Sicherheit beraubt, auf dem Weg in eine mehr als ungewisse Zukunft. Bilder, die Sadberas Tagebuch durch ihr Einzelschicksal wieder lebendig werden läßt. Von daher besonders für all diejenigen eine Lektüre, die immer noch nicht begriffen haben, wie bestialisch Kriege mit Kindern umgehen und wie abgrundtief hilflos jene sind, die den Krieg nie wollten. --Barbara Wegmann
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