Lenin und andere Leichen: Mein Leben im Schatten des MausoleumsGebundene Ausgabe
Der Stalinismus hat einiges an Absonderlichkeiten hervorgebracht, darunter die Einbalsamierung bedeutender Staatsmänner -- eine im Westen eher unübliche Form der Totenverehrung. Zwar konnte man zu Zeiten des Eisernen Vorhanges den eingelegten Lenin bewundern, man erfuhr jedoch recht wenig über die Hintergründe dieser bizarren Vorgehensweise. Doch nun meldet sich ein langjähriges Mitglied des Wissenschaftlerteams zu Wort, das mit der Konservierung der Leiche Lenins betraut war. Ilya Zbarksi beginnt sein Buch mit dem 1924 ausbrechenden Streit über den weiteren Verbleib der Leiche Lenins: beerdigen, einfrieren oder einbalsamieren? Die Entscheidung für letzteres war zugleich der Beginn der Karriere von Zbarskis Vater Boris, der bald als führender Kopf hinter Lenins Konservierung gelten sollte. Das Buch zeichnet die Stationen der berühmten Leiche durch die Jahrzehnte hindurch nach und beschreibt auch die Konservierungen anderer Ostblockstaatsmänner, wie etwa des nordvietnamesischen Ho-Chi-Minh, dessen Einbalsamierung noch zu Zeiten des Vietnamkrieges höchstes Staatsgeheimnis war. In den heutigen Zeiten knapper Kassen mußte sich aber auch das Einbalsamierungslabor neue Geldquellen suchen und arbeitet jetzt als "Ritual Service" für die Großen des neuen Rußland, nämlich die Mafia-Bosse. Wer eine grundsätzliche Abhandlung zu Einbalsamierung und Totenkult im Kommunismus sucht, ist mit diesem Buch jedoch falsch beraten. Denn das Werk ist vielmehr eine Mischung aus autobiographischer Erzählung und der Schilderung von Geschehnissen rund um das Mausoleumslaboratorium. Die Technik der Einbalsamierung wird natürlich erläutert, aber hier liegt nicht der Schwerpunkt. Das ist insofern schade, als die immer noch weitestgehend unbekannten Einbalsamierungssitten und deren Hintergründe informativer gewesen wären als die Lebensläufe, die nichts wirklich Neues aus dem Leben im Sozialismus zu Tage fördern. Interessant ist es aber dennoch, zu sehen, wie Intrigen das Fortkommen auch in der sozialistischen Gesellschaft förderten, zugleich aber auch privilegierte Familien unter Verfolgung zu leiden hatten. --Joachim Hohwieler
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