Kursbuch Heft 139: Die neuen ElitenTaschenbuch
Die deutschen Eliten zeichneten sich jahrzehntelang vor allem dadurch aus, dass sie öffentlich so gut wie gar nicht in Erscheinung getreten sind. Doch nun ist die Zeit des Abtauchens vorbei. Wiedervereinigung und Globalisierung haben eine neue Lage geschaffen, die von einer bisher nicht gekannten Dynamik geprägt ist. Und während die neuen Eliten gerade dabei sind, sich zu etablieren, sind wir wieder bei den alten Fragen angelangt: Was sind Eliten überhaupt? Auf welchen Traditionen fußen sie? Und welche Rolle sollen sie in unserer Gesellschaft spielen?. Nun sind Eliten ein derart komplexes und vielschichtiges Thema, noch dazu von vielerlei widerstreitenden Ideologien überfrachtet, dass jeder Versuch, sich dem Thema zu nähern, zwangsläufig ein unvollständiger Ansatz bleiben muss, zumal es noch immer viel zu wenig empirisch gesicherte Daten gibt. "Vieles, was zum Thema Elite gesagt und behauptet wird, beruht daher weniger auf Fakten als auf Impressionen", hat Ortwin Runde dieses Dilemma einmal treffend beschrieben. Aus Sicht eines Politikers mag das bedauerlich sein, für den Leser ist es nicht unbedingt ein Nachteil. Denn Impressionen sind allemal unterhaltsamer als Fakten. Und so lesen wir voller Staunen von "First Ladies" und "trophy wives", von ostdeutschen Eliten und der Moskauer Jeunesse dorée, vom Lebensgefühl der Dollarmilliardäre im Silicon Valley oder der doch sehr traditionellen Rekrutierung des deutschen Managernachwuchses. Und bei aller Vielfalt, die offenbar die neuen Eliten auszeichnet, drängt sich doch immer wieder ein Aspekt in den Vordergrund: Das Fehlen jenes sozialen Verantwortungsgefühls, das eigentlich das Wesen jeder Elite ausmachen sollte. Elite zu sein berechtigt nicht nur, es verpflichtet auch. --Stephan Fingerle
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