Mau Mau: RomanElke Naters
Gebundene Ausgabe
Das ambivalente Gefühl, das Anke Dürr in ihrer Spiegel-Besprechung zu Lügen so treffend beschrieb, stellt sich auch bei der Lektüre von Elke Naters' neuem Roman Mau Mau wieder ein. Naters' Romane sind so schlicht erzählt, dass man sich als Leser oft fragt: "Ist das jetzt banal oder genial?". Der 1963 geborenen Teilzeit-Thailänderin Genialität zu unterstellen wäre nun etwas übertrieben, aber festzuhalten ist, dass Naters nach dem autobiografischen Intermezzo G.L.A.M. mit Mau Mau erneut unter Beweis stellt, dass sie zu den begabtesten Erzählerinnen ihrer Generation gehört. Cool und prägnant formulieren können viele. Aber nur wenige haben diesen präzisen Blick für die kleinen und großen Abgründe unter der Oberfläche in den Beziehungen der heutigen Thirtysomethings untereinander, vor allem wenn es um den weiblichen Teil der Bevölkerung geht. Anders als in Königinnen oder Lügen steht bei Mau Mau jedoch nicht mehr die Grundkonstellation der besten Freundinnen im Zentrum der Erzählung. Der Horizont hat sich erweitert. Zwei Pärchen fahren mit einer Freundin, die Single ist, in Urlaub. Der Ort wird nicht näher spezifiziert, irgendwo auf dem indischen Subkontinent, wo man halt so hinfährt. Erzählt wird das Ganze zunächst aus der Sicht von Ida, die solo ist und genervt davon, dass sie immer ein bisschen außen vor bleibt. Mit den Freundinnen Mika und Susanne ist es schwierig, weil sie so perfekt aufeinander eingespielt sind, und wenn die Freundinnen mit ihren Kerlen zusammen sind -- na ja, kennt man ja. Aber vor allem ist es die dominante Mika, die Ida auf den Zeiger geht. Der Urlaub plätschert dahin, bis Frank, der bis dahin nur durch sein allabendliches Komasaufen aufgefallen ist, von einem Moment auf den anderen schwer krank wird. Ebenso unvermittelt wechselt die Erzählerperspektive. Im zweiten, ungleich packenderen Teil des Romans erzählt nun plötzlich Mika -- und wie das so ist bei Perspektivenwechseln: alles, was wir bislang aus Idas Sicht wahrnahmen, wird nun aufs Radikalste relativiert. Vor allem Frank, in Idas Erzählung lediglich eine Leerstelle, in die jeden Abend Alkohol gefüllt werden musste, erhält nun plötzlich Präsenz. Schonungslos gegen sich selbst analysiert Mika ihre Liebesbeziehung zu Frank, die sich als mehr entpuppt als eine bloße Amour fou. "Liebe kommt dann, wenn die meisten denken, sie sei schon vorbei. Alles vorher ist ein Kinderspiel. Lieben heißt aushalten und prüfen. Sich immer wieder an den Abgrund wagen, hinunterzuschauen und den Blick auszuhalten. Ohne runterzuspringen oder wegzulaufen." Und Mika hält eine ganze Menge aus. Zeigt der erste Teil des Romans die Oberfläche einer kleinen Gruppe, die von dem unbedingten Willen geprägt ist, sich zu amüsieren, so geht der zweite Teil im wahrsten Sinne unter die Haut. Wie Naters scheinbar ohne Aufwand in kürzester Zeit völlig unterschiedliche Stimmungslagen herausarbeitet, ist lesenswert. Ein Eindruck, der nur durch einen arg literarischen Schluss geschmälert wird. --Axel Henrici
|