Geschriebenes Leben: Ironische HalbporträtsJavier Marías
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Heutzutage werden einfach zu viele Romane geschrieben. In seiner Essaysammlung Das Leben der Gespenster hat Javier Marías deshalb dargelegt, warum man heute keine Romane mehr schreiben sollte: Schließlich ist es keine besondere Leistung -- wo doch jeder schreiben kann. Geld bringt es auch keins, Ruhm noch weniger. Und außerdem werden heute einfach zu viele Romane geschrieben. In Geschriebenes Leben hat sich Marías all jenen Heroen zugewandt, die damals, als Schreiben noch eine Leistung war, große Literatur verfassten: Laurence Sterne etwa, oder Iwan Turgenjew, Djuna Barnes, Oscar Wilde, William Faulkner und "dem größten Dichter des 20. Jahrhunderts" Rainer Maria Rilke. Drei Essays sind Autoren gewidmet, die Marías aufgrund ihrer Selbstverliebtheit offenbar nicht leiden kann: Da findet sich eine herrliche, bereits in Leben der Gespenster abgedruckte Schmährede auf James Joyce, die der Stilisierung des Autors durch sich selbst und seine Verehrer gewidmet ist, sowie Aufsätze zu Thomas Manns Humorlosigkeit und zum Tod des Harakiri-Dichters Yukino Mishima, der so spektakulär gewesen sei, "dass er beinahe alle Albernheiten vergessen macht, zu denen sich Mishima sich im Lauf seines Lebens hat hinreißen lassen". Solch brillante Sätze entschuldigen für gelegentliche Plattheiten wie die zu den Versen auf Rilkes Grabstein: "Vielleicht waren es nur diese Zeilen, auf die er so lange gewartet hatte". So enden eigentlich nur bemühte Nekrologe im Feuilleton. Ansonsten aber hat Marías einmal mehr bewiesen, dass er wie kein Zweiter schreiben kann. Denn seine 26 "ironischen Halbporträts" mit ihrem Hang zur anekdotischen Ausschmückung sind nicht zuletzt auch große Literatur. Und so wird man nach der Lektüre mit noch größerer Spannung auf seinen nächsten Roman warten. --Thomas Köster
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