Mit Henry Miller nach New York, 1935, 1 Audio-CDAudio CD
Legen Sie sich diese CD eine Viertelstunde auf die Stirn, bevor Sie sie in den Player schieben! Sie heilt vom Frankie-Boy-Sinatra-Syndrom. Dessen "New York, New York"-Sound haben wir schließlich alle perfekt verinnerlicht: Von New York hat man gefälligst begeistert zu sein, die Menschen sind toll, Häuser und Straßen beeindruckend, kennerisch kommentiert man Schattenseiten: eben eine Weltstadt! Kurz: Freiwillig nehmen wir die Attitüde von Provinztrotteln an, bloß um nicht als Trottel aus der Provinz zu gelten. Dagegen hilft diese CD. Es war einmal in Amerika: Miller kommt 1935 voll Hoffnung und tiefer Abneigung in die Stadt seiner Jugend zurück. 55 Minuten lauschen wir seinem Hass auf den American way of life (die Stimme von Dietmar Mues für meinen Geschmack, ein bisschen zu moderat für so viel ausgespienen Hohn). In der Waage gehalten wird alles durch den Jazz von Gene Krupa (vier Stücke), der uns ahnen lässt: Miller kann nicht ganz Recht haben, auch diese Zaubertöne stammen schließlich aus New York. Der damals noch erfolglose Autor formuliert seine Sicht auf die Stadt als Brief an einen Freund im geliebten Paris, schreibt rasant und ironisch, macht sich lustig über Wolkenkratzer und Autobesessenheit. Aber mit seinen Augen sehen wir auch die Bars und die Frauen am Samstagabend, Freaks und Toren, das Leben auf den Straßen, die Leere der Sonntage. Pointe (im hübschen Booklet zu lesen): Miller floh zwar wieder nach Paris, gelebt hat er aber später in den verhassten USA (allerdings in Kalifornien, der Sonne halber, wie Frankie-Boy übrigens auch). Eine CD mit Booklet, Spieldauer: 55 Minuten. --Michael Winteroll
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